Wer hat hier gerade welche Rolle?
Warum mein Vater mich neuerdings im Büro mit Handschlag begrüßt.
Eine Nachfolgerin erzählte mir in ihrem Coaching-Termin, dass Ihr Vater sie neuerdings im Büro ganz förmlich mit Handschlag begrüßt. Das macht er morgens immer mit allen Mitarbeitenden. Seit Jahrzehnten, so wie viele Unternehmer seiner Generation. Meine Nachfolgerin hätte sich als Tochter etwas Persönlicheres gewünscht. Vielleicht eine Umarmung. Denn so begrüßen sie sich in der Familie ja schließlich schon immer. Sie war sichtlich vor den Kopf gestoßen durch die nüchterne Art ihres Vaters.
Ich fand es jedoch ein bestes Beispiel dafür, wie ein Inhaber, Geschäftsführer UND Vater (vielleicht sogar unbewusst) mithilfe eines Rituals seine momentane Rolle findet und verdeutlicht. Nämlich in diesem Fall die des Geschäftsführers und NICHT des Vaters.
So hatte die Tochter und Nachfolgerin das Ganze noch gar nicht gesehen und fand es einen interessanten Gedanken. Ich erzählte ihr, dass dieses Rollendilemma und die Missverständnisse und Konflikte, die daraus entstehen können, sehr häufig in Unternehmerfamilien vorkommen. Und dass es ein Modell gibt, dass dieses Durcheinander verdeutlicht und im Fall der Fälle auch helfen kann: Das Drei-Kreis-Modell.
Genau da fangen wir meistens auch an, wenn es los geht in der Beratung. Mit einfachen und plausiblen Dingen, die Euch als Unternehmerfamilie betreffen. Die Euch Verständnis und Handlungsoptionen schaffen für den Umgang spezieller Herausforderungen und Besonderheiten von Unternehmerfamilien. Wir geben Euch erste Impulse, Modelle und Tools an die Hand, damit gleich von Tag 1 an Bewegung in Eure Nachfolge kommt.
Das Drei-Kreis-Modell: Ein Modell zur Verdeutlichung von Rollen in Unternehmerfamilien
Wie war das aber jetzt mit dem Drei-Kreis-Modell? Das Drei-Kreis-Modell besteht aus 3 Systemen, Familie, Unternehmen und Eigentum, die miteinander mehrere Schnittmengen haben.
Der Vater meiner Nachfolgerin wäre ganz in der Mitte einzuordnen, denn er ist Vater, Geschäftsführer und Inhaber. Er hat also in jedem der 3 Systeme eine Rolle. Nun tickt und funktioniert aber jedes der 3 Systeme ganz unterschiedlich und hat seine eigenen Regeln, Anforderungen und Ziele. Oft sind diese gegenläufig und konträr zu denen der beiden anderen Kreise. Und das macht die Sache für Euch eher knifflig.
Im Familienkreis dreht sich alles um Liebe, Vertrauen, Anerkennung, Wertschätzung und familiäre Beziehungen. Das ist also erstmal vertrautes Terrain für Euch, denn hier kennt Ihr Euch aus. Eure emotionalen Verbindungen können aber zu komplexen Herausforderungen führen, wenn persönliche Konflikte und ungelöste Spannungen das Geschäftliche beeinflussen.
Der zweite Kreis des Modells ist das Unternehmen. Hier regieren Umsatzzahlen, Entscheidungsfähigkeit und natürlich auch Macht und Autorität. Im Kontext des Unternehmens ist es entscheidend, klare und sachliche Entscheidungen zu treffen, die auf Fachkenntnissen basieren und nicht von persönlichen Beziehungen beeinflusst werden. Das stellt eine besondere Herausforderung dar, wenn Eure familiären Bindungen Vorrang vor fachlicher Kompetenz erhalten.
Im dritten Kreis, dem Eigentum, dreht sich alles ums Geld. Hier können Eure unterschiedlichen Vorstellungen über die Nutzung des Vermögens und die damit verknüpften unterschiedlichen finanziellen Erwartungen zu Konflikten führen. Eine wesentliche Frage, die sich für Euch stellt, ist: Wie schaffen wir eine Balance zwischen meinem persönlichen Interesse, der finanziellen Sicherheit unserer gesamten Familie und der Notwendigkeit, in das Unternehmen zu investieren?
Die unterschiedlichen Rollen in Unternehmerfamilien
Bekommst Du bereits ein Gefühl für diese 3 unterschiedlichen Systemen und die damit verbundenen Rollen, die ein Familienmitglied einnehmen kann? Es gibt ganz unterschiedliche Besetzungen, z.B. „nur“ Familienmitglieder, die weder im Unternehmen noch im Eigentum involviert sind, aber auch tätige Familienmitglieder ohne Beteiligung, reine Fremdgesellschafter und Familienmitglieder wie der Vater meiner Nachfolgerin, der alles zugleich ist: Inhaber, Geschäftsführer und Vater.
Gerne kannst Du versuchen, anhand des Modells und der Schnittmengen die Mitglieder Deiner Familie einzuordnen. Welche Konstellationen ergeben sich in Eurer Familie?
Jede Rolle hat ihre eigenen Herausforderungen, und die Balance zwischen den unterschiedlichen Interessen kann eine komplexe Angelegenheit sein, die Eure Aufmerksamkeit benötigt. Das Rollenbewusstsein und der Wechsel zwischen den Rollen ist ein Lernprozess.
Meistern der Herausforderungen: Offene Kommunikation und klare Regeln
Wie könnt Ihr als Unternehmerfamilie nun diese Herausforderungen und den Lernprozess meistern?
Klare Antwort: mit offener Kommunikation. Denn transparente und regelmäßige Gespräche lassen Euch Missverständnisse vermeiden und Konflikte frühzeitig erkennen. Es ist auch wichtig für Euch, klare Regeln und Strukturen zu etablieren, die die Zusammenarbeit erleichtern und eine klare Trennung zwischen Familie und Unternehmen ermöglichen.
Die Einführung eines regelmäßigen Inhaber-Jour fixes kann dabei gut unterstützen. Denn damit ist klar, dass die auf die Inhaberschaft bezogenen Themen zu diesem Termin besprochen werden. Und nicht mehr und nicht weniger.
Auch die kontinuierliche Weiterbildung und Schulung von Euch Familienmitgliedern ist eine gute Sache. Sie kann helfen, das unternehmerische Verständnis zu fördern und die erforderlichen Fähigkeiten und das Wissen aufzubauen. Auch um die Rolle in Eurem Gesellschaftergremium professionell auszufüllen.
Wir bei Buck & Hirmer sind Experten für diese Rollen-Thematik. Wir unterstützen Euch, frühzeitig den Durchblick zu bekommen und zu lernen, Eure 3 Systeme und Rollen gut zu managen. Sprecht uns gerne dazu an.
Ja und die Nachfolgerin, welchen Weg hat sie eingeschlagen, um dem Rollendilemma aktiv zu begegnen? Sie hat tatsächlich mit allen Familienmitgliedern, die beteiligt sind am Unternehmen, monatlich einen festen Inhaber-Termin ins Leben gerufen. Dort findet ein Informationsaustausch statt, um alle kontinuierlich an Bord zu halten. Im Rahmen dessen haben alle Beteiligten beschlossen, eine Familienverfassung und eine Inhaberstrategie zu erarbeiten. Um sich als Inhaberschaft mit den wichtigsten Fragestellungen zu beschäftigen. Und, um langfristig den Konsens und die Antworten schriftlich festzuhalten.
Mit ihrem Vater trifft sie sich übrigens 14tägig zum Lunch. Um ausgiebig über das Wochenende und die Enkelkinder zu plaudern. Und um zuzuhören. Denn der Vater hat Pläne, die er nach seinem endgültigen Ausstieg aus der Firma angehen will.